„unique. electic. fair.“

Lotte und Conny von Bridge&Tunnel
ONE WEEK – Challenge | Schrankdiät | Das Interview
Das Hamburger Label Bridge&Tunnel wurde 2016 von Lotte Erhorn und Conny Klotz gegründet. Seither überzeugt das kleine Unernehmen mit nachhaltigen Produkten und sozialem Engagement. Im letzten Jahr wurde die Brand sehr verdient mit dem German Design Award ausgezeichnet. Im Rahmen meiner ONE WEEK – Challenge zum Thema Schrankdiät konnte ich die beiden Macherinnen für ein Interview gewinnen. Lieben Dank an Lotte und Conny.

Erzählt doch mal, worum geht es bei Bridge&Tunnel?
Bridge&Tunnel: Bridge&Tunnel steht für Design, das Gesellschaft verändert. Unser Label fertigt nachhaltig und fair: inmitten Hamburgs mit gesellschaftlich benachteiligten Menschen sowie mit Geflüchteten, die erst vor kurzer Zeit nach Deutschland gekommen sind. Beide verbindet das enorme handwerkliche Geschick jenseits von Zeugnissen und Diploma. Und die Erkenntnis: Wer arbeitet, lernt Menschen kennen. Und wer arbeitet, fühlt sich gebraucht.
Unser Denim Design entsteht aus post- & pre-consumer waste (Alttextilien und Materialüberschüsse). Für uns wertvolle Materialressourcen, die wir stilvoll in Szene setzen. Beim pre-consumer waste verwenden wir Ausschussware, das sind die Textilien, die auch für Ausgabestellen zu verschlissen sind. Dazu unterhalten wir tolle Materialkooperationen mit der Kleiderkammer Wilhelmsburg oder Hanseatic Help. So verhelfen wir wertvollen Materialressourcen zu einem neuen Leben in style und hoffnungsvollen Talenten aus aller Welt zu einem erfüllenden Job mit Anerkennung.
Was ist die Bedeutung eures Namens Bridge&Tunnel?
Bridge&Tunnel: Der Name unseres Labels Bridge&Tunnel bezieht sich nicht nur auf die Insellage unseres Produktionsortes Wilhelmsburg, den man nur über Brücken oder den Elbtunnel erreicht. Sondern er bedeutet auch, dass wir Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen wollen.
Bridge&Tunnel verbindet Nachhaltigkeit mit sozialem Engagement. Wie kam euch die Idee zu Bridge&Tunnel?
Bridge&Tunnel: Die Idee zu Bridge&Tunnel kam im wahrsten Sinne des Wortes zu uns: Seit 2013 leiten wir gemeinsam den Co-Working Space Stoffdeck, eine Gemeinschaftswerkstatt für Mode- und Textildesigner in Hamburg Wilhelmsburg. Dort können sich professionelle Designer, aber auch kreative DIYler unkompliziert einmieten. Als wir irgendwann hörten, dass sich ein deutsch-türkischer Nähclub mit ihren Haushaltsnähmaschinen in einer Wilhelmsburger Moschee zum Nähen trifft, haben wir sie eingeladen, ihren Nähtreff bei uns im Stoffdeck zu machen. Und standen dann fassungslos daneben… Denn wir konnten live mit ansehen, was für Zauberhände viele der Frauen haben, obwohl fast alle noch nie in einem richtigen Job waren. Da war uns schlagartig klar: wir müssen diese beiden Welten vernähen. Und seitdem bringen wir professionelles Design und Menschen aus dem Stadtteil mit flinken Händen zusammen.
Woher bezieht ihr euren Denim?
Bridge&Tunnel: Wir sind für die Umsetzung unserer Denim Produkte auf einen steten Materialfluss angewiesen. Seit unserer Labelgründung erhalten wir von vielen Quellen Jeans, die für eine weitere Verwendung zu verschlissen sind. Aktuell von unterschiedlichen Kleiderkammern, Kleiderspenden wie zB Hanseatic Help sowie von Großunternehmen, die ihre Denim Restanten einer sinnvollen Nutzung zuführen wollen. Täglich erreichen uns zudem Pakete von Privatpersonen mit ihren ausgedienten Denim Lieblingen – Liebesbrief inkusive.
Zusätzlich erhalten wir immer häufiger pre-consumerwaste. Das sind Produktionsüberschüsse, die durch Verschnitt oder Musterstoffe anfallen, und teilweise 15% von einer Produktion ausmachen.
Woran misst sich für euch der Wert von Kleidung?
Bridge&Tunnel: Den Wert von Kleidung erzeugen wir letztendlich selbst. Und zwar, indem wir das einzelne Kleidungsstück wieder mehr wertschätzen. Dazu gehört das Textil, aus dem es verarbeitet ist, aber auch die Arbeitskraft, die dafür investiert wurde. Je mehr man seine Kleidung wertschätzt, desto länger und selbstverständlicher begleitet sie einen.
Beim Thema Mode ist es manchmal schwierig, in Sachen Nachhaltigkeit durchzublicken.
Welche Fair Fashion Brands sind eure Empfehlung?
Bridge&Tunnel: Oh da gibt es zum Glück mittlerweile so viel tolle Brands, bei denen Ethik und Ästhetik Hand in Hand geben. Wir lieben die Styles von suite13, CUS Barcelona oder Thinking Mu zum Beispiel sehr! Einen tollen Überblick über nachhaltige Brands findet man aber auch beim avocadostore – eine Plattform, auf der es nur fair fashion zu kaufen gibt.
Welche Veränderungen wünscht ihr euch hinsichtlich Modekonsum und Produktionsbedingungen?
Bridge&Tunnel: Den eigenen Modekonsum zu verändern, ist eigentlich gar nicht schwer. Dabei lautet unsere Devise „less is more“. Also weg von ständig wechselnden Kollektionen mit vermeintlichen It-Pieces hin zu langlebigen, wertigen Lieblingsteilen! Mode soll aber natürlich Spaß machen. Wenn man also mehr Abwechslung mag, sind Konzepte wie Kleidertauschparties oder Leihsysteme, wie sie Stay awhile anbietet, eine tolle Ergänzung!
Wenn man über Produktionsbedingungen spricht, ist es zu einfach, die Verantwortung immer nur auf Seiten der Modeunternehmen zu suchen. Die Politik sollte Gesetze erlassen, die eine faire und ökologisch nachhaltige Modeproduktion einfordern. Stattdessen fordert sie die Modeindustrie zu Selbstregulierung auf, so ein Quatsch. Das ist definitiv eine Unterlassung von politischer Verantwortung. Anderenfalls gehen viele Unternehmen diesen Weg nur sehr langsam und zurückhaltend, viele gar nicht. Stattdessen sollten Strafen fällig werden, wenn Unternehmen entlang der textilen Kette Menschenrechte nicht achten oder Umweltsünden begehen.
Was mache ich, wenn ich euch alte Jeans spenden möchte? Wie kann man euch
unterstützen?
Bridge&Tunnel: Wir freuen uns immer sehr über Materialspenden. Am allerliebsten gewaschen und mit weniger als 2 Prozent Elasthan Anteil. Man kann sich zudem jedes unserer Designs auch aus eigenen seinen eigenen Lieblingsjeans anfertigen lassen. Für viele eine tolle Möglichkeit, ihre geliebten Hosen, mit denen man oft so viel erlebt hat, nicht komplett gehen lassen zu müssen. Darüber hinaus freuen wir uns natürlich darüber, wenn Leute Lust haben, uns auf Social Media zu folgen. Damit noch mehr Menschen von unserer Geschichte erfahren.
Wo bekommen wir eure tollen Produkte?
Bridge&Tunnel: Wir haben einen sehr gut bestückten Onlineshop. Aber mittlerweile auch 30 Stores deutschlandweit, in denen unsere Designs auch offline zu haben sind. Eine Auflistung der Stores finder man auf unserer Website.
